Wenn ihr jetzt eine Pressung einer Platte im Pressewerk in Auftrag geben würdet, wie lange dauert es, bis die Bestellung ausgeliefert wird?
Jörg: Im Moment sind wir im Mai 2022. Aber eher Ende Mai, fast schon Juni.
Seit wann benötigen die Presswerke so viel Zeit zum Pressen einer Platte?
Jörg: Das hat sich vor allem in den letzten 12 Monaten zugespitzt. Ganz normaler Deal, dass die Majors sagen, wir machen jetzt doch wieder Vinyl und die Presswerke sich überlegen: „Was soll ich 300 Platten pressen, wenn ich die Maschine einfach laufen lassen kann.“ Es wird halt von ABBA bis Zappa alles nachgepresst in X-fach-Vinyl, 10Inch-limitiert und als Gatefold … von Helene Fischer und so weiter, dass die Majors dann einen Rahmenvertrag mit den Presswerken haben. Um das zu erfüllen, muss halt unten was rausgekehrt werden, damit das Presswerk sich an den Vertrag hält. Wartezeiten sind überall extrem, aber man sagt dir wenigsten woanders, woran du bist. Dass Kapazitäten voll sind oder dass man zu einem späteren Zeitpunkt sich melden soll, wird üblicherweise von Presswerken kommuniziert.
Als vor zehn Jahren die Vinylproduktion eingestampft wurde, hat es zehn Tage bis maximal drei Wochen gedauert, bis ein Whitelabel seine Bestellung erhalten hat. Da waren die ganzen Indies gut genug, um Pallas hochzuhalten. Diese ganzen Informationen haben wir nur rausbekommen, weil der Broker uns das erzählt hat. Am Anfang gab es nur schwammige Erklärungen, wie Rohstoffmangel durch z.B. das Schiff im Suezkanal, bis dann irgendwann die Aussage kam: „Wir wollen nicht mehr mit euch arbeiten.“ Am Anfang war alles merkwürdig, weil keiner auf den Tisch haute und gesagt hat: „Rein wirtschaftlich macht es keinen Sinn für uns, eure Platten zu pressen.“ Ausrede, Wischiwaschi. Dann hieß es, wir müssen die Etiketten bei Pallas drucken lassen, dann die Cover – also letztlich dann alles via Pallas machen lassen und nichts mehr selbst anliefern. Nachdem wir selbst das alles befolgt haben, kam dann noch eine Ansage, dass die Werkzeuge (die Mutterplatten), die bei Pallas für eventuelle Nachpressungen gelegen haben, weggeschmissen werden müssen.
Robert: Und für das Wegschmeißen haben sie dann auch noch Geld verlangt. Also egal was, ob lagern vor Ort oder wegschmeißen, wir sollten dafür extra zahlen.
Jörg: Galvanik, Stempel herstellen – damit kann man dann eben wieder neue Platten nachpressen. Anfänglich war da keine Logik drin, als sämtliche Ausreden und alles mögliche auf den Tische kam und keiner Tacheles geredet hat. Ende letzten Jahres ging das los mit dem herumlavieren. Zu Beginn des Jahres hat Pallas einen langjährigen und eigenständigen für Pallas exklusiven Broker entlassen, mit dem sie seit 40 Jahren zusammengearbeitet haben. Der kümmerte sich um die Kunden. Dadurch waren wir auch erstmal raus, haben uns dann aber einen neuen gesucht und waren dadurch wieder an Bord und konnten wieder pressen. Dem ersten Broker sagte man noch, die Kapazitäten seien voll. Dann kamen Irgendwelche Ausreden und wir haben dann über den neuen unsere Platten bekommen – von Pallas. Am zweiten Broker ist ein Major angeschlossen, Sony Music. Da kann natürlich Pallas nicht sagen: „Den schmeißen wir auch raus.“ Irgendwann haben sie es dann aber doch gemerkt, woraufhin eine Mail rausging, das weder über THS, das war der erste Broker, noch über den zweiten oder einen anderen Broker die Firma DBH noch etwas bekäme. Dann gibt es noch einen Broker in Berlin, DMS, dem habe ich davon erzählt. Der hat bei Pallas nachgefragt, um dann zu erfahren, dass sie ihn auch rausgeschmissen haben. Moralisch sind wir hier meiner Meinung nach auf einem Level, wo man eigentlich nicht agiert. Weil wenn du deinen Mann stehst, dann sagst du jemandem ins Gesicht, was du von ihm hältst, aber dass solche Wellen geschlagen werden …
Der erste Broker schrieb: „Mir sind die Hände gebunden, das habe ich von Pallas bekommen.“ Dieses Schreiben liegt auch schon länger vor, wir haben halt abgewartet, dass wir zumindest unsere schon bestellten Platten bekommen, denn so wie die drauf sind – muss man ihnen unterstellen – hatten wir Angst, dass sie uns dann gar nichts mehr geben, wenn wir vorher an die Öffentlichkeit gegangen wären. Deshalb jetzt dieser Schritt.
Wann fingen die Schwierigkeiten mit Pallas an?
Robert: Anfang 2020 bekamen wir die erste Mail, da hatten wir 60 Muster und da hieß es, die werden nicht mehr gemacht und es wurde nicht begründet, warum. Weitere Aufträge könnten sie nicht annehmen. Da hatte ich damals schon auf der Pallas-FB-Seite ein Posting gemacht.
Nach dem Anschreiben Anfang letzten Jahres – wie ging es da weiter?
Robert: Da haben sich auf einmal wieder Kapazitäten für uns ergeben, nachdem es ja eben hieß, es werde gestoppt und in absehbarer Zeit nichts gepresst werden können. Wir wollten über unseren Broker dann unser Material und die Werkzeuge, da hieß es eben, es ginge doch wieder. Aber da war uns schon klar, dass die scheinbar keinen Bock mehr haben auf solche kleinen Kunden.
Wieviele Platten habt ihr Pallas monatlich pressen lassen?
Jörg: DBH hat im Monat 4000 Platten bei Pallas geordert. Nur um das mal in den Raum zu stellen: Pallas hat eine eigene Presse nur für Metallica …
Was ist euer Hauptkritikpunkt gegenüber Pallas?
Jörg: Es ist ja nicht verwerflich, im Business zu sagen: „Ich suche mir aus, mit wem ich arbeite und mit wem nicht“, kein Problem. Aber die Art und Weise, auf welchem moralischen Level das stattfand, das ist in meinen Augen sehr fragwürdig. Top-Qualität, führend darin, das muss man Pallas anerkennen. Deswegen haben wir auch vor Jahren schon beschlossen, mit denen zu arbeiten, unabhängig von der Wartezeit und vom Preis. Zum Schluss wurde es aber kurios. Bei der letzten Produktion haben wir drei Mal Muster gemacht und diese neu überspielen lassen. Da haben wir eine Mail bekommen – nachdem wir wieder gesagt haben, dass das Muster eine Katastrophe ist – haben sie gesagt, dass sie es besser nicht hinbekämen. Da bedarf es meiner Meinung nach keiner weiteren Erklärung, warum diese Mail kam.
Robert: Wir haben Muster bekommen, da waren eindeutig Kratzer drauf. Wir haben Videos gemacht und extra diese Stellen markiert im Video – visuell und mit Ton – weil man uns für blöd gehalten halt.
Jörg: Da kam dann auch eine Mail von Pallas, nach dem wir die Qualität kritisiert haben, in der gefragt wurde, bei welcher Luftfeuchtigkeit und Raumtemperatur wir denn das Vinyl abgespielt hätten – und wie alt die Nadeln seien. Wir haben halt ein halbes Jahr Pallas geglaubt. Nach ihren moralischen Vorstellungen hat das alles funktioniert. Wir haben uns dementsprechend nicht gekümmert, hatten dann infolge dessen Anfang des Jahres ein Loch.
Wie seit ihr jetzt aufgestellt in Sachen Presswerk?
Jörg: Wir arbeiten jetzt mit sechs Presswerken zusammen. Den Engpass hatten wir als Firma mitten in der Corona-Pandemie, wo sowieso nicht viel ging. Mittlerweile ist das Tal durchschritten und wir haben jetzt ausreichend Produkte und Nachschub.
Seid ihr ein Einzelfall (gewesen)?
Jörg: Ich habe ebenfalls von anderen Vertrieben sowie Labels gehört, dass bestehende Bestellungen gecancelt wurden.
Da gab es auch keine Verträge, die davor geschützt haben?
Jörg: Als Indie bekommst du gar keinen Vertrag, das machen die nur mit den Majors.
Wie lange geht der Boom wohl noch, was meint ihr?
Robert: So lange die Fans das Spiel mitspielen … du hast ja alles, von Metallica bis Britney Spears. Alles, was in den 90ern nicht auf Vinyl kam, kommt jetzt in irgendwelchen „limitierten“ – da werden 20.000 Stück gepresst – Auflagen. Wenn der Fan das dann hat, dann kommt noch eine goldene Version hinterher. Es gibt ja sogar Harry-Potter-Soundtracks auf Vinyl. Diese Sachen sind ja eher Fan-Items bzw. Sammlerobjekte, die werden zu Hause gehegt und gepflegt und man hofft eventuell noch auf eine gewisse Wertsteigerung in zehn Jahren. Wie lang das noch so weitergeht, das kann ich nicht sagen. Ich hoffe, das ist in drei Jahren vorbei, aber das ist jetzt einfach nur daher gesagt.
Jörg. Das glaube ich auch nicht. So lange in Mediamärkten die Vinylabteilungen stehen, so lange wird sich da nichts ändern. Und es ist ja auch gar nichts dagegen zu sagen, dass Vinyl für die breite Masse produziert wird. Das sind Majors, da stürzt sich jeder drauf, so lange es funktioniert. Es ist nur irgendwie traurig, das sämtliche Harry-Potter-Soundtracks auf Vinyl erscheinen müssen. Braucht man das? Na gut, man kann natürlich sagen, braucht man die 68. Rawax (lacht). Für uns geht es ja nur um den moralischen Aspekt, dass diese Leute, in dem Fall kann ich jetzt nur von Pallas reden, jahrelang von Indies und Technolabels am Leben gehalten wurden, als keiner von den Majors auch nur annähernd noch Vinyl haben wollte. Und jetzt drehen die den Spieß um und sagen: „Wisst ihr was, vergesst was gestern war, jetzt brauchen wir euch nicht mehr.“ Und das ist das Verwerfliche an dieser Situation. Wenn zu dir einer kommt und sagt: „Ich mach jetzt nicht mehr Auflagen von 10.000, sondern von 50.000“, dann ist das natürlich interessant für dich als Presswerk. Das moralische Verhalten ist halt das, was ich in den Raum und in Frage stelle. Was sie nicht nur bei uns, sondern bei auch anderen Indie-Labels an den Tag legen. Die haben das gleiche Problem, teilweise sogar noch schlimmer, da auch Labels trotz bestellter Ware rausgeschmissen wurden. Dieser ganze Eiertanz ohne klare Ansage, beinahe jede Woche irgendwas anderes, was vorgebracht wurde, um dann nach einem dreiviertel Jahr endlich doch zu sagen, dass man uns rausschmeißt.
Robert: Wir haben ja auch alles geschluckt, was gefordert wurde. Jede Preiserhöhung, die Sache mit den Covern und Etiketten, das haben wir ja alles mitgetragen und sind trotzdem geblieben.
Gab es schon eine Reaktion von Pallas auf die letzten Postings?
Jörg: Die haben unseren Broker angerufen und sich beschwert, dass das total ungerecht sei, was wir hier mit den Postings machen und dass jetzt rechtliche Schritte geprüft werden.
Robert: Uns geht es auch darum, dass wir da eine öffentliche Diskussion anstoßen, das wir hier was lostreten können. Wir sind ja nicht die einzigen, aber wohl die ersten, die damit jetzt in dieser Art und Weise und Deutlichkeit öffentlich gehen. Wir wollen das einfach nicht hinnehmen, wo unsere Szene diese Werke letztlich am Leben gehalten hat – über Jahrzehnte. Darum geht es, die Art und Weise ist einfach schäbig.