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Hounah – Melancholische Freiheit

Seit Ende der Neunzigerjahre ist Daniel Nitsch im elektronischen Musikzirkus aktiv, hat diverse Musikprojekte initiiert, zeigt sich dabei immer offen für Neues und umgeht damit auch musikalische Schubladen, in denen er steckenbleiben könnte. Sein neues Projekt Hounah steht in dieser Tradition und gewährt mit dem Album „Broken Land“ einen tiefen Blick ins Innere des Menschen und Musikers Daniel Nitsch. Verstärkung für einige Songs hat er von Pianisten Johann Blanchard, der Sängerin Lena Schmidt und dem Gitarristen Marten Pankow bekommen, musikalisch bewegt sich Nitsch zwischen Trip-Hop, Jazz, Electronica, Hip-Hop und Ambient, darüber hinaus enthält das Werk auch eine gesellschaftspolitische Komponente. Der Rostocker, der vor allem als Teil des Duos The Glitz – zusammen mit Andreas Henneberg – bekannt wurde, erzählt uns im Interview, wie es zu Hounah kam und was genau dahintersteckt.

Hallo Daniel, wie geht es dir, was machst du gerade?

Für mich ist es gerade eine sehr spannende und aufregende Zeit. Es sind jetzt nur noch wenige Tage bis zum Album-Release. Eigentlich passiert jeden Tag etwas. Ich stehe sehr viel mit dem Label (Feines Tier) im Austausch. Über die ersten tollen Reaktionen auf die beiden Album-Singles freue ich mich sehr. Ich bin auch glücklich, dass die Vinyl- und CD-Pressung gerade noch rechtzeitig da sind. Das ist keine Selbstverständlichkeit bei der aktuellen Presswerk-Situation.

Mit Hounah hast du ein neues Projekt gestartet. Erzähle doch mal, wie es dazu kam, wie ihr euch gefunden habt und was der Name bedeutet?

Ich hatte schon lange den Wunsch, dieses neue Projekt mal anzugehen. Dabei ging es mir darum, mich zurück zu meinen musikalischen Wurzeln zu begeben und diese in meinen Produktionen mit den heutigen Möglichkeiten in die heutige Zeit zu transformieren. Daraus ist dann jetzt mein Album entstanden. Ich fühle mich da sehr wohl und will auch mit Hounah in Zukunft weiterarbeiten.

Für das Album habe ich Lena, Johann und Marten gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, an einigen Songs mitzuwirken. Die drei sind für mich sehr eigenständige großartige Musiker*innen und mittlerweile auch Freunde. Für die Aufnahmen ihrer Parts habe ich schon recht feste Vorstellungen gehabt und ihnen diese teilweise auch schon vorher gegeben. Da hat von Anfang wirklich alles gepasst. Ich denke, dass das auch nicht die letzten gemeinsamen Stücke sind.

Der Name Hounah steht für mich für eine gewisse vielleicht melancholische Freiheit und kommt eigentlich aus einer Zeit, in der ich mich viel mit Alaska beschäftigt habe – dort gibt es ein Tlingit-Dorf namens Hoonah. Daran bin ich irgendwie hängengeblieben … (lacht.) Deswegen nehmen einige Album-Songs wie „Fairbanks“ oder „From Norton Bay“ auch Bezug dazu.

„Broken Land“ gewährt uns einen Blick in deine Gefühls- und Gedankenwelt, ist bisweilen auch politisch mit Tracks wie „Revolution“ oder „Guilty State“. Was hat dich motiviert, diese Aspekte mit den Hörer*innen zu teilen, was möchtest du damit vermitteln? Auch der Albumtitel selbst impliziert ja eine bestimmte Sicht.

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In unserer Welt läuft im Moment sehr viel schief. Wenn ich ehrlich bin, beschäftigt mich das auch ganz schön stark. Das sind Themen, wie die zunehmende soziale Ungerechtigkeit, eine ungleiche Verteilung, immer mehr Autokratien, Konflikte und Kriege, daraus resultierende Flüchtlingsbewegungen, eine mehr und mehr ausbeuterische Globalisierung und natürlich auch das ganz große Thema Klimawandel. Alles hängt zusammen und ist größtenteils menschengemacht. Da wird sicherlich noch vieles auf uns zukommen. Ich bin aber auch niemand, der tatenlos zusehen möchte oder einfach resigniert. Ich denke, wir als Menschheit können vieles beeinflussen und auch zum Guten verändern. Da habe ich den Mut und die Hoffnung nicht aufgegeben. Darüber müssen wir reden und das müssen wir angehen.

Für mich fühlt es sich richtig an, dass sich dies in meiner Musik widerspiegelt. Und daraus resultiert natürlich auch irgendwie der Albumtitel.

Du zeigst damit auch eine klare Haltung. Sollten das Musiker*innen öfter tun?

Ich denke, als Musiker*in ist es immer gut, eine Haltung zu haben. Auch wenn das vielleicht polarisieren mag, kann es auch Charakter zeigen. Ich finde, in meinem Umfeld tun das eigentlich auch die meisten. Aber dennoch würde ich mir wünschen, dass das noch mehr Musiker*innen aus dem Mainstream tun würden. Sie erreichen einfach noch mehr Leute und können mit mehr Haltung auch zum Nachdenken anregen. Vielleicht haben viele auch einfach Angst, sie könnten Hörerschaft verlieren. Oder vielleicht interessiert es sie auch einfach nicht? Auf jeden Fall wäre dort noch viel mehr möglich.

Hatte die Corona-Pandemie auch Einfluss auf das Album? Weg vom fröhlichen Dancefloor, hin zu mehr Nachdenklichkeit?

Darauf wurde ich schon oft angesprochen. Das ist bei mir aber eigentlich nicht der Fall. Etwas Nachdenklichkeit schwingt, glaube ich, bei mir schon immer mit, und die Pläne für das Album hatte ich ja schon vorher. Aber sicherlich habe ich dadurch viele mehr Zeit gehabt, im Studio zu arbeiten.

Die Musik von The Glitz führt uns auf den Dancefloor, mit Hounah bewegst du dich musikalisch zwischen Downbeat, Jazz, Ambient und Hip-Hop. Aber dennoch kein Neuland für dich?

Wer mich als Solo-DJ kennt, der weiß, dass ich schon seit Langem auch gern Ausflüge in Richtung Downbeat, Ambient oder Hip-Hop mache. Das gehört zu meinen Sets oft dazu. Meine musikalischen Ursprünge sind ja dort auch beheimatet. So ist das nicht wirklich neu für mich. Im Studio habe ich in den letzten Jahren auch immer mal wieder an Stücken in dieser Richtung gearbeitet. Trotzdem war die Albumproduktion eine sehr intensive Zeit, wo ich noch einmal ein Stück tiefer in die Musik abgetaucht bin. Ich habe gemerkt, dass ich mich da fallen lassen kann und habe für mich auch neue Freiheiten im „Musikmachen“ entdeckt. Ich glaube, das kann man auch hören.

Wie kann man sich deinen Studioalltag vorstellen, wie ist das Album entstanden?

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Es ist im Grunde in mehreren Phasen entstanden. Angefangen habe ich mit Songskizzen, in denen sich quasi schon das Grundgerüst der Songs abgezeichnet hat. Einige Skizzen habe ich dann an Johann, Marten und Lena geschickt und dann haben wir darüber geredet, wie wir die Aufnahmen machen können. Mit den fertigen Aufnahmen habe ich im Anschluss die gemeinsamen Songs ausproduziert und auch an den anderen Songs gearbeitet. Danach brauchte ich erst einmal einen kleinen Abstand, um dann an Details und einem ersten Mixdown arbeiten zu können. Die fertigen Songs habe ich dann noch einmal mit Moritz, einem Tontechniker, in seinem Mixdown-Studio final abgemischt. Am Ende haben wir alle Songs in einer nächtlichen Aktion noch einmal über ein analoges Pult und eine Bandmaschine „abgezogen“. Das war aus meiner Sicht für die „Wärme“ der Songs noch einmal richtig wichtig.

Wie kam es zur Koop mit dem Rapper A-F-R-O, der bei zwei Titeln mitwirkt?

Für die Aufnahme von Instrumenten und Gesang habe ich meist sehr klar im Kopf, was ich wie möchte. Das kann manchmal schon etwas nerdig sein. Ich habe wirklich wochenlang im Netz auf verschiedenen Portalen nach einer bestimmten Stimmlage gesucht. Da bin ich dann über A-F-R-O „gestolpert“ und ich wusste sofort, dass er genau die richtige Stimme hat. Ich habe ihn dann gleich angeschrieben, ohne zu wissen, dass er gerade in den Staaten schon ziemlich bekannt ist. Wir haben uns dann über die Beats und den Text ausgetauscht. Das war sehr entspannt. Die Gesangsaufnahmen hat er dann bei sich in L.A. gemacht. Für das Album haben wir sogar noch an einem zweiten Song gearbeitet. Er ist ein großartiger Rapper.

Ist denn auch eine Live-Umsetzung des Projekts geplant?

Längerfristig sehe ich das auf jeden Fall. Darauf habe ich große Lust. Ich habe dazu auch schon mit Lena, Johann und Marten geredet. Aber ich denke, das wird noch etwas dauern und soll organisch wachsen. Ich will da auch nichts überstürzen.

Erzähl uns doch mal von der Musikszene in Rostock, über Genre-Grenzen hinweg. Es hat ja auch gerade ein weiterer bekannter Rostocker ein Album veröffentlicht – Marteria.

Ich finde die Rostocker Musikszene nach vielen Jahren immer noch sehr spannend und entdecke für mich selbst auch immer wieder neue Künstler*innen. Da hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Wenn man sich zum Beispiel Marteria, Feine Sahne Fischfilet, Waving The Guns anschaut, dann sind das alles Künstler, die mittlerweile fast jeder kennt. Und da sind auch noch sehr viele tolle Leute, von denen man in Zukunft einiges erwarten kann. Schön finde ich, dass fast alle den Bezug zu ihrer Heimat Rostock behalten. Das ist schon besonders.

Wie sehen deine weiteren Pläne für dieses bzw. nächstes Jahr aus? Was erhoffst du dir von 2022?

Dieses Jahr ist ja fast schon zu Ende und es bleibt ja allein durch das Album-Release sehr aufregend. Für nächstes Jahr erhoffe ich mir wieder etwas Normalität für alle Clubs und für alle Festivals – eigentlich für uns alle. Ich will auf jeden Fall in den nächsten Monaten auch noch an neuen Hounah-Stücken arbeiten.

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Wie wird es mit The Glitz weitergehen?

Mit The Glitz waren wir in der Pandemie nicht faul. Es kamen drei EPs heraus und wir haben an einem neuen Album gearbeitet. Dort sind wir in den letzten Zügen. Da sind viele schöne Stücke entstanden, die einige überraschen könnten … Für den April ist eine kleine US-Tour geplant. Und wir werden jetzt auch wieder öfter auf den Bühnen zu hören und zu sehen sein.

Unseren Mix des Monats liefert ihr auch als The Glitz ab. Habt ihr ein Rezept/einen Plan, wie ihr einen Mix erstellt? Was dürfen unsere Leser*innen erwarten?

Wir haben in unseren Mixen ja meist sehr viele eigene Songs. Das gehört für uns einfach dazu. So können die Hörer*innen dann auch immer den ein oder anderen The-Glitz-Song entdecken, den sie vorher vielleicht noch nicht kannten. Wir sind da immer sehr intuitiv, aber ein Intro und ein Outro finden wir wichtig. Beim FAZE-Mix dürfen die Leser*innen schon ein wenig in unsere neuen Album-Songs reinhören …

 

 

 

KURZ & KNAPP:

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Meine erste gekaufte Platte … Daft Punk – Homework – Damals noch auf CD!

Mein erster Gig … 1997 im Phoenix-Club (Güstrow).

Meine erste Gage … ich glaube, 100 Mark und ein paar Drinks.

Rostock ist … da, wo andere Urlaub machen. Heimat.

Dieses Album höre ich gerade rauf und runter … Andy Stott – „Never the right time“.

 

Aus dem FAZEmag 117/11.21
Text: Tassilo Dicke
Credit: Rico Burnecki
www.instagram.com/hounah__/

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